Das Leben im Stamm ist mit dem Leben eines konventionell
in unserer Gesellschaft aufwachsenden Menschen unvergleichbar. Im Stamm
vergeht kaum ein Tag, an dem nicht etwas Aufregendes, Ungewöhnliches,
Überraschendes passiert, was alle in spezieller Weise betrifft oder
berührt oder begeistert. Das Leben im Stamm pulsiert so dicht und
vieldimensional, daß man, wenn man einmal ein paar Tage nicht im
Stamm ist, mit Sicherheit irgend ein interessantes Ereignis oder ein rauschendes
Fest verpasst. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es immer wieder herausragende
Ereignisse und Anlässe im Stamm gibt, die gebührend gefeiert
werden wollen.
Was für den normalen Privatmenschen ein glücklicher
Moment oder ein Gefühl der Freude ist, das ist für den Stamm das
Fest. Erfreuliche oder besondere Ereignisse gehen im Stamm alle gleichermaßen
an, und alle wollen es feiern. Dies sind neben den feststehenden Festen wie
Weihnachten, Ostern oder den Geburtstagen auch spontane Feste, bei denen etwa
eine zehnjährige Stammesmitgliedschaft, eine zwanzigjährige Freundschaft,
eine Vaterschaft, das einhundertste Stammesmitglied, ein geglückter Hauskauf,
ein besonderer wirtschaftlicher Erfolg etc. etc. gefeiert wird. Die Feste
des Stammes haben meistens über den bloßen Selbstzweck hinaus die
Intention, das zu Feiernde zu ehren und ihm Liebe und Zuwendung und Aufmerksamkeit
zu geben, egal, ob es sich um einen Menschen, ein Haus, eine Wiese, um Freundschaft
oder um irgendein freudiges Ereignis handelt. Auf jedem Fest kann man auch
beobachten, daß so etwas wie ein Wesen, ein Fetengeist entsteht, der
die Feiernden erfasst und in seinen Bann zieht. Schade für die, die nicht
dabei waren. Bleibt als Trost jedoch die Gewissheit, dass man sich hinterher
alles haarklein erzählen lassen kann.