Der Stamm der Likatier ist sehr feierfreudig. Feiern ist für die Stammesmitglieder ein elementarer Ausdruck von Lebensfreude. Feste sind ein Kernstück der Kultur in Likatien. Daher ergreifen diese "Lechbewohner" gerne die Möglichkeit, wenn sie sich ergibt. Eigentlich wird wirklich jede Gelegenheit am Schopf gepackt, um ein Fest zu veranstalten. Es vergeht kaum ein Tag, wo nicht irgendwo im Stamm zumindest ein kleines Fest stattfindet, auch wenn natürlich nicht zu jedem Fest alle eingeladen sind. Bei diesen Festen, wird eigentlich immer das Leben gefeiert - das Leben, das die Likatier so sehr lieben. So feiern diese Menschen am Alpennordrand zahlreiche traditionelle Feste, die auch über den Stamm hinausgehend gefeiert werden, wie beispielsweise Geburtstage. So große herkömmliche Feste wie Weihnachten, Ostern und Nikolaus findet man in diesem neuzeitlichen Stamm mit ähnlicher symbolischer Ausstattung auch, allerdings mit einem ursprünglicheren spirituellen Hintergrund. Und natürlich hat der Stamm der Likatier auch eigene Feste kreiert, wie beispielsweise das Reinigungsfest, Aufnahmefeste für neue Stammesmitglieder oder Zeugungstagfeste.
Folgende Arten von Feiern gibt es in Likatien:
So verschieden, bunt und prächtig die Geburtstagsfeiern im Stamm auch sein mögen, sie haben eines gemeinsam: das Geburtstagskind rührt bei der Vor- und Nachbereitung keinen Finger. Der Tag gehört ganz dem Geburtstagskind, und der Stamm, bzw. ein Teil des Stammes, ist an diesem Tag ausschließlich mit dem Geburtstagskind und seinem Wohlergehen beschäftigt. Wie nachhaltig die Atmosphäre und Ausstrahlung der Stammes-Geburtstagsfeste auf die Beteiligten wirkt, kann man gut in den Erinnerungen unserer Kinder erkennen. Die Geburtstage sind meistens die "highlights" im Erleben der Kinder, welche sich für immer als Inbegriff von Glück, Genuß und Geliebtwerden in ihre Seele einprägen. Unvergesslich sind die langen Geburtstagstafeln mit den edlen, weißen Tischdecken und den vielen Kerzen. Unvergesslich sind die vielen Hände, welche schon Stunden vor dem Geburtstagsfrühstück liebevoll den Raum und die Tische dekorieren, die Lieblingsspeisen und -getränke des Geburtstagskindes zubereiten. Die Tische werden aufwändig dekoriert mit Kerzenständern, Blumen und Glasperlen.
Zu Beginn der Festtafel erhebt sich ein ausgewählter Festgast, welcher dem Geburtstagskind besonders nahe steht, zu einer Festrede, welche in der Regel sehr intim, tiefgründig und feierlich sein sollte. Dann wird angestoßen und man stürzt sich auf das opulente Festmahl. Das Festfrühstück dauert oft einige Stunden. Danach folgen Nachmittagsveranstaltungen wie Schwimmengehen, Schnitzeljagd für die Jüngeren sowie Kaffeetrinken, Wanderungen und Beschäftigung mit bestimmten Themen und Fragestellungen bei den Erwachsenen.
Am Abend folgt ein warmes und nicht weniger üppiges Festmahl, und danach lädt das Geburtstagskind entweder zum Filmabend, zu einem Sit-in, zu einer Tanzfete, zu einer Dichterlesung oder zu einem bestimmten Thema ein, welches das Geburtstagskind besonders interessiert oder berührt. Ein Geburtstagsfest im Stamm ist so etwas wie eine vorweggenommene Vision von der angestrebten Anteilnahme, Wahrnehmung, Empathie und Liebesfähigkeit der Stammesmitglieder.
Viele likatische Stammesmitglieder sind in katholischen Familien aufgewachsen, wo sie auch den Brauch der Namenstagsfeiern kennengelernt haben. In manchen - vor allem ländlichen - Gegenden wurde der Namenstag mehr gefeiert als der Geburtstag. Von daher hatten viele Stammesmitglieder einen Bezug dazu, im Zusammenhang mit dem eigenen Namen an einem bestimmten Tag im Jahre (Namenstag) ein Fest zu feiern. Im Sinne des Zieles, daß der Stamm der Likatier eine eigene authentische Stammeskultur entwickelt, hat sich dann folgende Kulturgenese ergeben. Zuerst einmal gab es die Idee und auch bei vielen das Bedürfnis, daß man jedem Tag im Jahr einen eigenen unverwechselbaren Namen gibt. Diese Tagesnamen sollten jedoch in irgendeinem Bezug zur eigenen Stammes-Kultur stehen. So entschloß sich dann der Stamm, folgendes System der Tagesnamen einzuführen:
Jeder Tag des Jahres erhält als Name den Rufnamen eines Stammesmitgliedes, und zwar in der chronologischen Reihenfolge, wie sie Mitglieder des Stammes wurden. Zum Tagesnamen gehört dann auch eine römische Nummerierung dazu, die zeigt, das wievielte Mitglied mit diesem Vornamen derjenige zum Zeitpunkt seiner Mitgliedswerdung war. So heißt der erste Tag im likatischen Jahr Wolfgang-I.-Tag, weil der Stammesgründer Wolfgang Wankmiller das erste Mitglied des Stammes war. Der zweite Tag im Jahr heißt Bernhard-I.-Tag, weil ein Bernhard der zweite war, der Mitglied wurde. So hatte dann jeder Tag im Jahr einen Namen. Nach dem 366. Mitglied (Lamatieden) erhielten dann die Tage noch einen gleichberechtigten zweiten Namen. Seither gibt es dann für jeden Likatier einen Tag im Jahr, der einen nach ihm benannten Tagesnamen trägt. Daraus ergab sich dann ein persönlicher Bezug der Stammesmitglieder zu diesem Tag. Der nächste Schritt war dann, daß der Stamm der Likatier einführte, diesen jeweiligen Tag auch als Namenstag für den Betroffenen anzusehen. So wurden dann die likatischen Namenstage eingeführt. Natürlich hatten alle Lust ihren Namenstag zu feiern. Diese Namenstagsfeiern waren zwar weniger aufwendig als die Geburtstagsfeiern, doch gibt es in der Regel mindestens einen Festakt an diesem Tag, beispielsweise ein Festfrühstück, Festbrunch, Festmittagessen, Festkaffeetrinken, Festabendessen oder eine Festnachmittagsveranstaltung bzw. Festabendveranstaltung. Die Art und Weise wie auch die Orte der Feiern sind dabei höchst unterschiedlich. Der Gestaltung sind keine Grenzen gesetzt.
Ostern gehört in der jüngsten Entwicklung des Stammes der Likatier zu den Festen im likatischen Jahr, an denen sich der ganze Stamm für mehrere Tage versammelt, um gemeinsam zu feiern. Es wird viel geredet, gelacht, gespielt, gekocht und gegessen. Und natürlich versteckt der Osterhase auch in Likatien seine Eier. Kinder allen Alters, auch die Jugendlichen, suchen mit Begeisterung ihre Osternester. Bevorzugt findet das ganze - wenn es das Wetter erlaubt - irgendwo in der Natur statt, bei schlechtem Wetter innerhalb eines großen Hauses. Damit es gerecht zugeht, werden alle Kinder und Jugendlichen in die verschiedenen Altersgruppen aufgeteilt, für welche die Nester in entsprechenden Schwierigkeitsgraden versteckt wurden. Manches Nest wurde schon so gut versteckt, dass niemand es fand, und es erst nach Jahren durch Zufall wieder auftauchte. Für die Likatier ist Ostern das Fest des Frühlings, der Fruchtbarkeit und der Weißen Göttin (siehe Mutter-Göttin), die sich symbolisch hinter den Symbolen des Osterhasen und der Ostereier verbirgt. Schon lange vor dem Christentum haben unsere Vorfahren dieses Fest zu Ehren der Fruchtbarkeits-Göttin Ostara gefeiert.
Soweit das Datum des Zeugungstages von Stammesmitgliedern bekannt ist, wird dieses Ereignis an diesem Tag auch gefeiert. Die Likatier sehen den Tag der Zeugung als einen feiernswerten Umstand an, da das eigene Sein und Leben bei der Zeugung seinen Beginn hat. Das Leben überhaupt und damit auch die Zeugung von Leben ist in Likatien ein heiliger Wert, der durch Feiern an den Zeugungstagen gewürdigt und geehrt wird. Meistens wird zu diesem Anlaß ein Festfrühstück oder ein Kaffeetrinken veranstaltet, an dem Personen teilnehmen, die vom Gefeierten eingeladen werden. Sollte aus zeitlichen Gründen eine Veranstaltung dieser Art mal nicht möglich sein, so wird zumindest auf den Zeugungstag angestoßen, da es in erster Linie darum geht, daß diesem Ereignis in irgendeinem, wenn auch noch so kleinen, feierlichen Akt, gedacht wird.
Weltlehrer sind Menschen, die für die Mitglieder des Stammes der Likatier kulturelle oder spirituelle Impulse gegeben haben und von den Stammesmitgliedern verehrt, geliebt und gefeiert weden. (z.B. König Ludwig der II. von Bayern, Gurdjieff, Albert Einstein, Hermann Hesse, Sabine Lichtenfels, Dieter Duhm, Goethe, Alexander Lowen, Wilhelm Reich, Stanislav Grof, Osho, Martin Heidegger u.a.). Sie werden vom Stamm ausdrücklich in dieser Funktion als Weltlehrer definiert.
An Geburtstagen und Todestagen der Stammes-Weltlehrer oder auch an dem Tag, an dem für die entsprechende Person ein Initiationsereignis stattfand, finden in Likatien Feierlichkeiten statt. In der Regel beginnt die Feier mit einem Festfrühstück, zu dem Interessierte eingeladen werden. Für alle Weltlehrer gibt es einen Paten, der die Feste organisatorisch und inhaltlich vorbereitet. Zu Beginn des Frühstücks wird auf den Weltlehrer angestoßen und später werden Texte oder Gedanken des Weltlehrers vorgetragen oder auch Gedichte auswendig gelernt. Die Stimmung bei diesen Feiern ist eigentlich immer sehr wach und intensiv. Gedanken und Ideen von geistreichen, revolutionären Menschen sind spannend und bewegend und dazu geeignet, einen aus dem alltäglichen Trott herauszubringen. Auch am Nachmittag gibt es einen - meist- kleineren Kreis von Likatiern, die sich mit den Ideen, der Musik oder Schriften des Weltlehrers beschäftigen. Am Abend findet teilweise auch ein Festabendessen statt und in der Regel wird am Abend ein Dokumentarfilm oder ähnliches über/von dem Weltlehrer gezeigt.
Neben Weihnachten und Ostern ist das Reinigungsfest ein echtes High-Light im Likatischen Jahr. Es ist das Stammesgründungsfest, das Stammesgeburtstagsfest, welches die Likatier von Jahr zu Jahr ausgiebiger feiern. Es heißt Reinigungsfest, weil dieses Fest gewissermaßen auch das likatische Neujahrsfest ist, an dem man auf das letzte Jahr zurückblickt, sich auch bewußt damit beschäftigt, alten Ballast abzuwerfen (sich zu reinigen) und Visionen und Ziele für das neue Jahr zu entwickeln. Die Likatier sehen diese Beschäftigungen sowohl im persönlichen wie auch im Stammessinne gewissermaßen als innere Erneuerungs- und Reinigungsprozesse, aus denen heraus Neues wachsen und entstehen kann.
Da der Stamm am 1. Juni 1974 gegründet wurde, findet das Reinigungsfest in den Tagen um den 1. Juni herum statt. Das Fest umfaßt etwa eine Woche und ist ein beliebter Treffpunkt für alle Stammesmitglieder, für Freunde des Stammes, Besucher und Gäste. Die spannende und zugleich heimelige Atmosphäre an diesen Festtagen wird geprägt durch intensives Zusammensein rund um die Uhr, tiefe soziale Kontakte, viele Gespräche, Feiern und Spiele. Die Kinder und Jugendlichen sind bei allem mit dabei, laden schon Monate vorher ihre Freunde zum Reinigungsfest ein und die Proteste, daß das Fest wieder mal viel zu kurz war, sind am Ende meistens groß. Das Erleben dieser Tage gibt vielen Likatiern einen verheißungsvollen Vorgeschmack auf ein künftiges gemeinsames Stammesleben, in dem es viel Zeit für menschliche Kontakte, Belange und Bedürfnisse gibt, wie es in Naturvölkern heute noch der Fall ist.
Feste Einrichtung beim Stammesfest ist die Stammesolympiade, in der verschiedene sportliche, lustige, sinnliche, gustatorische und soziale Disziplinen geprüft werden. Die Disziplinen sind so gestaltet, daß jede Altersstufe die gleichen Chancen hat und die erwachsenen Stammesmitglieder nicht selten auf den hinteren Rängen zu finden sind.
Zentrale Veranstaltung ist am 1. Juni, wo sich die Likatier den ganzen Tag und den Abend Zeit nehmen, um das vergangene Jahr sowohl persönlich - wie auch auf den Stamm als Ganzes gesehen - zu reflektieren. Ebenso beschäftigt sich jedes Stammesmitglied mit dem Ausblick, den Visionen, Wünschen und Zielen für das nächste Jahr. Über verschiedene Beschäftigungen wird im Kreis der Stammesmitglieder gesprochen und meist kristallisieren sich für die Stammesentwicklung Schwerpunktthemen heraus, die gemeinsam vertieft werden.
Neben der Freiluftkinonacht ist auch die traditionelle Fete mit Lagerfeuer im Programm vertreten, wie auch Aufführungen, in denen die Kinder und Jugendlichen Sketche über die Erwachsenen spielen. Darüber hinaus gibt es jedes Jahr neue Themen, denen sich der Stamm widmet. Beim vergangenen Fest wurde das Thema "likatische Märchen, Mythen und Lieder" von verschiedenen Gruppen bearbeitet. Dabei wurden likatische Märchen geschrieben und eigene likatische Lieder komponiert und getextet. Ein anderer Tag wiederum wurde mit sinnlich-sozialen Aktionen gestaltet.
Weihnachten ist auch im Stamm der Likatier ein sehr zentrales Fest. Die Likatier sehen in der Weihnachtszeit und im besonderen im Weihnachtsfest ein uraltes Thema dargestellt: die Geburt des Lichtes in der tiefsten Dunkelheit als Hoffnungs- und Erlösungsmysterium einer urmenschlichen Sehnsucht, die seit Anbeginn der Menschheit einen irgendwie gestalteten kulturellen Ausdruck findet. Die im Christentum verbreitete Symbolik dieses Vorgangs entspricht zwar nicht den in Likatien verbreiteten spirituellen Inhalten, ist aber nach Ansicht der Likatier als eine symbolische Darstellungsebene trotzdem geeignet, das Mysterium der Geburt des Lichts zu repräsentieren.
Die Art, wie Weihnachten in Likatien gefeiert wird, hat sich im Laufe der Zeit sehr gewandelt. Ganz am Anfang feierten viele Stammesmitglieder noch mit ihren eigenen Eltern, weil sie selber noch so jung waren. Nur manche trafen sich am Heiligen Abend in ihrem Treffpunkt in Weißensee, um zusammen zu sein. Mit den ersten Kindern wurde vermehrt zusammen gefeiert, meist in den einzelnen Häusern verteilt, in denen man wohnte, später am Abend besuchte man sich auch gegenseitig.
Es gab eine Zeit, in der die erwachsenen Stammesmitglieder wegen der übersteigerten Bedeutung von Geschenken diese ablehnten, weil sie das Weihnachtsfest nicht so konsumistisch verkommen lassen wollten. Sie hatten keine Lust, dass es an Weihnachten nur um Geschenke geht, und ihre Kinder den wahren Wert dieses Festes verlieren, der für die Likatier vor allem in der Gestaltung und Wahrnehmung der mystischen weihnachtlichen Atmosphäre liegt. Die Likatier legten mehr Wert auf den Rahmen, in dem das Fest stattfand. Also schmückten sie die Häuser aufwendig mit selbstgebastelten Sternen, Fensterbildern und ähnlichem und veranstalteten statt der traditionellen Bescherung ein Programm, z.B. mit Singen und einem Spaziergang zum Schwansee, wo eine Schnee-Bar aufgebaut war. Auch Theateraufführungen fanden statt, wo Stammesmitglieder allen Alters mitspielten, vor allem aber die Kinder. Einmal spielten sie ein Stück über die wilde Göttin Percht. Sie ist die Herrscherin über die Rauhnächte, die dunkle Zeit zwischen Weihnachten und Heilig-Drei-König.
Wegen der Frustration der Kinder, entschloß man sich dazu, statt gar niemandem oder jedem Einzelnen etwas zu schenken, allen Kindern etwas gemeinsam zu schenken. So kam es, dass die Kinder in jedem Päckchen, das eines aufmachte, ein Teil für zum Beispiel eine große Rennbahn fanden. Und in anderen wiederum ein Puppentheater mit handgefertigten Tonpüppchen. Viele Stammesmitglieder waren dabei in einer der Puppen abgebildet. Da war es natürlich das Naheliegendste, diese Püppchen dazu zu benutzen, Szenen aus dem Stammesleben nachzuspielen. Es wurde ein besonderes Weihnachtsfest mit vielen Sketchen und "Zugfahrten durch das Leben".
Weil die erwachsenen Stammesmitglieder nicht wollten, dass sich ihre Kinder benachteiligt fühlen, wurden die persönlichen Geschenke sehr bald wieder eingeführt. Seit der Stamm die Möglichkeit hat, daß alle Stammesmitglieder zusammen unter einem Dach feiern, sind die Weihnachtsfeste noch intensiver, gemütlicher und sozialer geworden. Es gibt dort trotz der vielen Menschen eine sehr besinnliche Atmosphäre. Vor allem die Kinder freuen sich, daß alle für so lange Zeit so nah zusammen sind. Schon Tage zuvor wird das ganze Haus festlich geschmückt. Rote Tücher verwandeln die Wände, von unzähligen goldenen Sternen geziert, die auch von der Decke herab hängen. Alles strahlt im Glanz des bevorstehenden Festes.
Weil im Stamm mittlerweile so viele Menschen leben, werden sie in mehrere Weihnachts-Gruppen aufgeteilt, die im Haus in verschiedenen Zimmern verteilt feiern. Jede Gruppe hat einen Weihnachtsbaum, der mit komplettem Wurzelballen im Topf gekauft wird, da das Fällen von Bäumen normalerweise im Stamm abgelehnt wird. Im Frühjahr werden die Bäume dann auf den likatischen Grundstücken wieder eingepflanzt.
Tendenziell bekommen nur die Kinder Geschenke, weil die meisten erwachsenen Stammesmitglieder sich gegen Geschenke ausgesprochen haben. Obwohl die Geschenke für die Kinder sehr wichtig sind, wird im Stamm der Likatier versucht, die Übergabe der Geschenke nicht in den Vordergrund zu stellen. Nach dem gemeinsamen Abendessen in den besagten Gruppen, wird ausgiebig gesungen - meist traditionelle Weihnachtslieder, obwohl die Stammesmitglieder bestrebt sind, in Zukunft zusätzlich auch noch eigene Weihnachtslieder zu entwickeln. Nach dem Singen findet üblicherweise ein Nacht-Fackel-Umzug statt mit fast allen Anwesenden und erst nach der Rückkehr versammeln sich die Gruppen wieder, um die Geschenke zu verteilen. Die nächsten Tage wird noch gesungen, gespielt und gemütlich zusammen gesessen und viel, viel geredet.
Der Nikolausabend am 5. Dezember wird im Stamm der Likatier von den Kindern mindestens genauso herbeigesehnt, wie auch gefürchtet. Natürlich freuen sie sich auf das Säckchen, liebevoll gefüllt mit Nüssen, Äpfeln, Orangen und oft auch einem selbstgefertigten Gebäck. Grund zum Fürchten gibt nur die Darreichungsform durch den allzu böse anmutenden Nikolaus. In Likatien ist das nicht der herkömmliche Bischof Nikolaus, den man aus der katholischen Tradition kennt, sondern wilde, ungebändigte Wesen aus dem Gefolge der Percht, einer archaischen Mutter-Göttin, die im Kulturkreis Bayern/Tirol bekannt ist. In ihrem Sprachgebrauch nennen die Bewohner dieser Gegend die Unholde aus der Gefolgschaft der Percht "die Kloasa". Nur mit Fellen bekleidet, vom Lärm der großen Schellen und Glocken begleitet, die Haare und der Bart so lang, dass ihre rußbedeckten Gesichter nicht erkennbar sind, kommen die Perchtkloasa in den Raum, wo der ganze Stamm versammelt ist.
Im Vordergrund sitzen die Kinder, die jüngsten fliehen ängstlich zu ihren Müttern und älteren Geschwistern. Wenn die wilden Männer mit der Reisigrute in ihre Richtung schlagen, dann zucken sie allesamt zusammen, egal welchen Alters sie sind. Die Kloasa stellen sich dann in die Mitte des Raumes und holen das Goldene Buch heraus. In diesem Buch steht drin, was die Kinder und Jugendlichen das ganze Jahr so angestellt haben. Wenn sie dabei allzu frech sind, bekommen sie schon auch mal eins mit der Rute über. Zum Schluß werden sie gelobt, liebenswerte Eigenschaften werden hervorgehoben und dann bekommen sie das besagte Säckchen geschenkt. Bis spät in den Abend sitzen dann meist noch alle gemütlich zusammen.
Wenn der Stamm der Likatier eine neue Immobilie - sei es ein Haus, ein Stück Wald, ein Grundstück oder Ackerland - erworben hat, feiert der ganze Stamm ein Begrüßungsfest.
Die Likatier erleben Immobilien als einen lebendigen, wesenhaften Teil des Stammes. Ein neues Grundstück gehört fortan zum Stamm und alle Stammesmitglieder identifizieren sich mit ihm. Der Stamm würde niemals eine Immobilie aus Spekulationsgründen kaufen und wieder verkaufen. Der Erwerb einer Immobilie ist ein Akt, der auch auf der spirituellen Ebene seine Bedeutung hat und die Stammesmitglieder veranlaßt, sorgsam und angemessen mit dem neuen Haus oder Grundstück umzugehen.
Und so wird gefeiert, was das Zeug hält ... wobei jede neue Immobilie ihr ganz eigenes Fest, ihre ganz individuelle Note hat. Feiern anläßlich eines neuen Waldes oder Ackerlandgrundstückes finden natürlich in der Regel draußen statt. Es werden Getränke ausgegeben und angestoßen und jedes Stammesmitglied sollte die genauen Grundstücksgrenzen einmal gesehen haben, bzw. abgelaufen sein. Manchmal gibt es auch Häuserbegrüßungsfeste, die in einem langen Abend voller Musik und guter Stimmung ausklingen. Andere Häuser verlangen ein vorsichtiges Annähern und In-Kontakt-kommen, wo es unpassend wäre, ein wildes und lautes Fest zu feiern. Nur eines steht fest - jeder Likatier, ob Groß oder Klein liebt die Immobilienbegrüßungsfeste - genauso wie die Likatier ihre Häuser und Grundstücke lieben, was sie entsprechend in ihrer Festfreude zum Ausdruck bringen.
Immer, wenn ein neues Kind im Stamm der Likatier geboren wird, veranstalten die Eltern in den Wochen danach ein Fest, bei dem die Placenta des Kindes auf einem Stammesgrundstück begraben und gleichzeitig auf den Mutterkuchen für das Kind ein Baum oder Strauch gepflanzt wird. Die Väter sind vor allem zuständig für das Graben des Loches und die Pflanzung des Baumes, während die Mütter der neugeborenen Kinder die jeweilige Placenta in das gegrabene Loch legen und dazu in feierlichen Worten die Beziehung des Kindes zur Mutter Erde und zu den Ahnen betont und den Geist des in der Placenta gegenwärtigen Kindes dem Baum überantwortet. Dieses Ritual geht auf einen Brauch zurück, der in dieser Region schon in uralten Zeiten gefeiert wurde. Entsprechend ihrem analogen Weltbild stellt diese Pflanze für die Likatier dann ein Abbild des jeweiligen Kindes dar, ist gewissermaßen das Kind selbst. Entsprechend sehen sie diese Bäume und Sträucher auch als lebendige Symbole für ihre Kinder, und sie sind ihnen daher besonders wertvoll und schützenswert.
Neue Stammesmitglieder werden nach dem einstimmigen Aufnahmebeschluß durch die Schwurmenschen-Gemeinschaft bei den Likatiern meistens mit einer Tanzfete gefeiert. Zu Beginn heißt das Stammesoberhaupt oder ein Stellvertreter das neu aufgenommene Mitglied im Stamm herzlich willkommen. Dann trinkt der ganze Stamm einschließlich aller Kinder und Gäste mit einem lauten "Prost" auf ihn. Und schon tönt dann die Musik durch den Raum und erzeugt in Kürze eine ausgelassene Atmosphäre. Und meistens dauert es auch nicht lange, bis die Tanzfläche dicht gefüllt ist mit wild tanzenden Menschen aller Altersgruppen. Im Laufe des Abends wird der Neuling dann von vielen noch speziell begrüßt und kräftig umarmt.
Aufnahmefeiern für neue Stammesmitglieder können aber auch ganz anders aussehen. Der Aufgenommene entscheidet selbst, welche Art von Fest ihm vorschwebt. Dabei sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Bedingung ist nur, daß das Fest alle Stammesmitglieder mit einbezieht. Manche machen ein großes Kaffeetrinken unter freiem Himmel in einem großen Garten. Wieder andere lassen sich durch das Anschauen eines schönen Filmes feiern oder machen zusammen mit dem Stamm sogar einen größeren Ausflug und verbringen den ganzen Tag beispielsweise an einem See. Und dann gibt es auch noch die Möglichkeit, daß einer sich durch eine Dia-Show oder Filme selber vorstellt.
Eigene Feiern gibt es im Stamm der Likatier speziell zu den Namensgebungen von Häusern, Grundstücken und Kindern. Bei Häusern und Grundstücken kommt es oft vor, daß die Namensgebungsfeiern gleichzeitig mit den Immobilien-Begrüßungsfesten stattfinden.
Zur Namensgebungsfeier eines neuerworbenen Hauses wird der ganze Stamm zu einem Umtrunk in dieses Haus eingeladen. Zu Beginn gibt der jeweilige Namenspate die Namen für das Haus, den Hof und die einzelnen Räume bekannt. Jung und Alt und Kind und Kegel stoßen auf jeden einzelnen Namen separat an. Diese Feste haben eine hohe Qualität an Nähe und Gemütlichkeit, denn der ganze Stamm ist in einem Haus dicht zusammengedrängt, und jeder bewegt sich von einem Zimmer zum anderen, um alle Räume mit ihren Namen kennenzulernen. Überall wird getrunken, gelacht, gegessen, geratscht und gefeiert. In jedem Zimmer herrscht eine andere, sich stets wandelnde Atmosphäre. Man begegnet immer neuen Konstellationen von Menschen, verweilt für eine Zeit und zieht dann weiter. Ist der Abend fortgeschritten und schon so mancher nach Hause gegangen, so sitzen die Nachteulen oft noch stundenlang in kleinem Kreis zusammen bei immer intimeren Gesprächen. Zu später Stunde geht's oft ans Eingemachte, man frägt und sagt einander, was man sowieso schon lange mal fragen oder sagen wollte. Oder es werden bis tief in die Nacht hinein alle Lieder gesungen, die sie kennen, von Indianer-Liedern über italienische Schnulzen bis zu ergreifenden alten deutschen Volksliedern wie "Am Brunnen vor dem Tore" oder "Wahre Freundschaft kann nicht wanken".
Zur Namensgebungsfeier von Ländereien, die in den Besitz des Stammes übergegangen sind, wird oft der ganze Stamm zu einem Umtrunk auf das neue Stück Land eingeladen. Das Beisammensein ist dann gesprägt von einer großen Freude an der Natur und der Einbettung der likatischen Grundstücke in das herrliche Allgäuer oder Außerferner Land. Visionen werden wach, wie dieser Ort genutzt werden will, man malt sich gemeinsam Bilder aus von dieser und jener Möglichkeit und beginnt vielleicht auch schon, ganz konkrete Pläne zu schmieden.
Zur Namensgebungsfeier eines neuen Kindes, das von einer Stammesfrau empfangen wurde, lädt die Mutter einen eher kleinen Kreis von Menschen, die ihr und ihrem Kind besonders nahe stehen, meist zu Kaffee und Kuchen ein. Der Name wird vom Namenspaten verkündet, es wird angestoßen und man hockt gemütlich beisammen. Bei Ratsch und Tratsch und oft auch intimen Auseinandersetzungen mit einem der geladenen Gäste oder einem Thema, von dem die Gemeinschaft gerade betroffen ist. Es ist immer wieder interessant, daß diese Art von intensiven Gesprächen oft nichts mit dem Anlaß der Feier zu tun haben, sondern ganz organisch aus dem heraus entstehen, daß es einen aktuellen Bedarf nach Beschäftigung zu einem Thema gibt; wo einer der Gäste eine Freude oder ein Leid teilen will oder wo ein Ereignis der letzten Tage die Anwesenden bewegt. So werden diese Feiern in kleinem Kreis immer wieder zu einer tragenden Säule des sozialen Geschehens im Stamm, man bleibt füreinander sichtbar, und das nicht nur im Kreis der geladenen Gäste, denn wenn diese danach zur Arbeit zurückkehren, werden sie interessiert gefragt: "Worüber habt Ihr geredet?" Und so wird Wesentliches, Witziges, Schreckliches und Erfreuliches sofort weiterbewegt im natürlichen Kommunikationssystem des Stammes.
Das Leben im Stamm ist mit dem Leben eines konventionell in unserer Gesellschaft aufwachsenden Menschen unvergleichbar. Im Stamm vergeht kaum ein Tag, an dem nicht etwas Aufregendes, Ungewöhnliches, Überraschendes passiert, was alle in spezieller Weise betrifft oder berührt oder begeistert. Das Leben im Stamm pulsiert so dicht und vieldimensional, daß man, wenn man einmal ein paar Tage nicht im Stamm ist, mit Sicherheit irgend ein interessantes Ereignis oder ein rauschendes Fest verpasst. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es immer wieder herausragende Ereignisse und Anlässe im Stamm gibt, die gebührend gefeiert werden wollen.
Was für den normalen Privatmenschen ein glücklicher Moment oder ein Gefühl der Freude ist, das ist für den Stamm das Fest. Erfreuliche oder besondere Ereignisse gehen im Stamm alle gleichermaßen an, und alle wollen es feiern. Dies sind neben den feststehenden Festen wie Weihnachten, Ostern oder den Geburtstagen auch spontane Feste, bei denen etwa eine zehnjährige Stammesmitgliedschaft, eine zwanzigjährige Freundschaft, eine Vaterschaft, das einhundertste Stammesmitglied, ein geglückter Hauskauf, ein besonderer wirtschaftlicher Erfolg etc. etc. gefeiert wird. Die Feste des Stammes haben meistens über den bloßen Selbstzweck hinaus die Intention, das zu Feiernde zu ehren und ihm Liebe und Zuwendung und Aufmerksamkeit zu geben, egal, ob es sich um einen Menschen, ein Haus, eine Wiese, um Freundschaft oder um irgendein freudiges Ereignis handelt. Auf jedem Fest kann man auch beobachten, daß so etwas wie ein Wesen, ein Fetengeist entsteht, der die Feiernden erfasst und in seinen Bann zieht. Schade für die, die nicht dabei waren. Bleibt als Trost jedoch die Gewissheit, dass man sich hinterher alles haarklein erzählen lassen kann.
Ein älteres Urlaubspaar liegt in Liegestühlen auf dem Balkon eines Allgäuer Bauernhauses und sonnt sich. Plötzlich schrecken sie auf, weil sie Geschrei und allerlei Stimmen in nächster Nähe hören. Auf einer in der Nähe befindlichen Wiese springen zahlreiche Leute von mehreren Seiten auf eine mitten in der Wiese angebrachte Fahne zu. Der erste packt sie, rennt zurück, die anderen verfolgen ihn, offensichtlich um ihm die Fahne abzunehmen, er steigt an der Straße schnell in ein wartendes Auto, haut die Türe zu und fährt schnell davon. Die Verfolger schauen verdutzt und außer Atem eine Weile dem Auto hinterher, gehen dann ein Stück die Straße zurück zu einem anderen Auto, mit dem sie dann auch davon fahren. Die Urlauber wurden Zeugen einer Sequenz eines Stammesspieles der Likatier.
Mit einem riesigen Truck ist ein Fernfahrer gerade unterwegs, die Grenze zwischen Bayern und Tirol zu überqueren. Dabei kommt er in einen kleinen Ort. Von weitem sieht er auf dem Vorplatz des ersten Hauses einen Pulk von Leuten. Zuerst sah es so aus, als wenn sie alle übereinanderliegen. Beim Näherkommen sah der Fahrer dann, daß da zuunterst ein Mann ein Bündel von etwa einem Meter langen Fahnen in der Hand hatte, die er versuchte, mühsam kriechend zur Haustüre zu bringen. Die anderen - es waren wohl etwa fünf Leute, zerrten entweder an dem Fahnenbündel und versuchten es ihm zu entreißen, oder hielten den Mann am Boden fest, um ihn daran zu hindern, zum Haus zu kommen. Zuerst war der Fernfahrer ja verunsichert, ob da vielleicht jemand überfallen wird und er sich einmischen sollte, doch dann erkannte er schon, daß es da nicht ganz ernst zuging, daß es sich vielleicht um eine Art Spiel handelte. Langsam fuhr er weiter. Er war Zeuge einer weiteren Sequenz desselben likatischen Stammesspieles, über das sich auch schon die Urlauber wunderten, geworden.
Was war das hier für ein Spiel? Die Likatier feierten einen Zuwachs an Immobilien. Dazu hatten sie sich ein Spiel ausgedacht, bei dem es mehrere Mannschaften gab. Auf jeder der kilometerweit verstreuten Immobilien war eine Fahne angebracht, die allerdings zum Teil sehr schwer zu finden war. Die Mannschaften hatten die Aufgabe, diese Fahnen einzusammeln und in einem bestimmten Haus den Schiedsrichtern zu übergeben. Allerdings hatten die mitspielenden Gruppen das Recht, sich gegenseitig die Fahnen abzujagen und sich daran zu hindern, Fahnen ins Schiedsrichter-Haus zu bringen. Die Mannschaft, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt die meisten Fahnen abgegeben hatte, hatte gewonnen.
Bekommt der Stamm der Likatier durch die Aufnahme eines neuen Mitgliedes eine runde Mitgliederzahl, zum Beispiel 150 Lebemenschen (das nächste Mal bei 200 Lebemenschen) oder 600 Lamatieden (das nächste Mal bei 700 Lamatieden), dann ist dieses Ereignis der natürliche Zeitpunkt, wo der Stamm nicht nur ein gewöhnliches Fest, wie bei jeder Neuaufnahme, macht, sondern auch eigens ein Ganztagesfest mit einem Stammesspiel veranstaltet. Ähnliche Anlässe sind runde Zahlen von Stammes-Häusern oder Stammes-Immobilien. Es gibt aber auch andere besondere Anläße wie wenn beispielsweise das erste Stammesmitglied einen Grad von Stammesnamen erreicht, den bisher noch keiner erreicht hatte. Zuletzt war dies der 7. Grad. den einer erreichte, indem er es geschafft hatte, alle 128 Hauptsippen seiner Vorfahren durch Ahnenforschung herauszufinden. Das nächste Mal findet dann ein Stammes-Spiel statt, wenn der erste Likatier seinen 8. Grad des Stammesnamens bekommen hat, wofür der Betroffene seine 256 Hauptsippen herausgefunden haben muß. Das waren jetzt nur Beispiele von Anlässen für solche Stammesspiele. Die Art von solchen Anlässen ist jedoch nicht festgeschrieben. Wenn ein besonderes Ereignis eintritt, das den Likatiern wichtig genug erscheint, dann wird auch hierzu ein Stammesspiel veranstaltet.
Die Nachbarn haben sich schon daran gewöhnt, daß hin und wieder was Ungewöhnliches passiert, sei es, daß plötzlich drei Leute einen riesigen Schneehaufen durchwühlen, sei es, daß ein Mädchen vor Wut schreiend die Straße entlang rennt, weil ein anderes Mädchen ihr gerade ein Objekt abgewrungen hat, sei es, daß drei Leute auf einem Dach versuchen, durch ein Dachfenster in das Haus einzudringen oder sei es, daß eine Menschengruppe im Garten eine große lautstarke Siegesfeier durchführt, wozu natürlich nicht nur die Siegermannschaft eingeladen ist. Schon hat der eine oder andere Nachbar gefragt, ob er mitspielen und mitfeiern darf und schon sieht man ihn, wie er mühsam im Wald im Schnee nach einem Tuch sucht, auf dem einer der 128 Sippennamen steht.
Alljährlich finden im August die likatischen Lechspiele statt. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß alle Disziplinen entweder im Lech oder in Kontakt mit dem Lech und mit dem eiskalten Wasser des Lechs stattfinden. Die Aufregung im Stamm vor den Lechspiele ist schon Tage vorher groß. Die Disziplinen werden vom Schiedsrichter- und Vorbereitungsteam bis zum Beginn der Spiele geheimgehalten, damit von besonders ehrgeizigen Stammesmitgliedern im Vorfeld keine geheimen Trainingsstunden absolviert werden (was alles schon vorgekommen ist). Lediglich die Königsdisziplin weiß jeder, und die ist das Überqueren des Lechs. Da wird im Stamm schon Wochen und Monate vorher gefeilscht, wer wohl die besten und stärksten Schwimmer Likatiens sind, die von ihrer Mannschaft an den Start geschickt werden können.
Alle anderen Disziplinen sind Mannschaftswettbewerbe. Die Mannschaften sind bunt durchmischt, von den Kleinsten, die gerade mal laufen können bis hin zu den ältesten, fast siebzigjährigen Stammesmitgliedern. Jeder will dabei sein, und jeder hat hier einen riesen Spaß. Angefangen vom Staffellauf in kniehohem Lechwasser auf steinigem Untergrund bis hin zu Ballspielen im Wasser, Bauen von Steintürmen und Surfbrettpaddeln auf Geschwindigkeit. Zwar geht es natürlich darum, welche Mannschaft die schnellste, die beste, die geschickteste ist, doch steht eindeutig im Vordergrund das tolle soziale Erleben, das lustige Beisammensein mit all den vielen Menschen. Am Ende der Lechspiele gibt es ein gemeinsames Abendessen mit anschließender Siegerehrung, die meist zu einem gemütlichen Beisammensein bei Lagerfeuer, Gitarre und Gesang übergeht.
Hintergrund der likatischen Lechspiele ist die intensive und vielschichtige Beziehung, die die Likatier seit vielen Jahren zum Lech haben und die sie - auch in Anlehnung an die hier ehemals herrschende keltische Kultur - in sich tragen. Die Lechspiele sind ein Ausdruck von vielen anderen Ehrerbietungen, die die Likatier in ihrer Liebesbeziehung zum Lech und der ihm innewohnenden Wesenheiten darbringen.
Mondfeste
Der Mond ist von altersher ein Symbol für die Weiblichkeit, für Gefühle, für den Wandel, die Transformation und für das Unbewußte. Durch den Mond haben wir Anteil am ewigen Rhythmus von Licht und Dunkelheit, von Sterben und Wiedergeburt. Besonders die Frauen haben durch ihren Menstruationszyklus einen starken Bezug zum Mond. Die Frauengemeinschaft der Likatier feiert daher jeweils an Vollmond und an Neumond zumindest ein kleines Fest. Die Gestaltung ist sehr unterschiedlich - im Vordergrund steht die Wahrnehmung des jeweiligen Mondes, das Erspüren, der Kontakt mit den Rhythmen der Natur und die eigene Verbindung zu diesen Rhytmen.
Die Feste finden meistens im Freien statt. Interessant ist hierbei, dass sich die Anwesenheit von Wasser verstärkend auf die Wirkung des Mondes auswirkt, weshalb viele Feste in oder am Wasser gefeiert werden. So haben einige der likatischen Frauen auch schon mal in einer Vollmondnacht im Februar ein (freilich sehr kurzes) Bad im Lech genommen oder schon mehrere Wanderungen um die im Füssener Land liegenden Seen gemacht. Die Neumondfeste sind oft verbunden mit einer Beschäftigung mit den Themen des Abschiednehmens, des Sterbenlassens, der Transformation und Veränderung und regen weniger zu "ausgelassenen Aktionen" wie Lechbäder im Winter an, als zu einer stillen aber intensiven Innenschau. Sowohl die Vollmond- als auch die Neumondfeste werden öfters durchwirkt von intensivem Trommeln, welches den Frauen hilft, in die dem Mond entsprechende Trance zu gelangen, in der dann die eigenen zur Energie des Mondes passenden Themen deutlich ins Bewußtsein treten.
Sonnenfeste und Jahreskreisfeste
Sonnenfeste sind u.a. die vier Jahreskreisfeste, die den Beginn einer jeweils neuen Jahreszeit kennzeichnen. (Wintersonnwende, Sommersonnwende, Frühlingstagundnachtgleiche und Herbsttagundnachtgleiche). Der Stamm der Likatier feiert bisher den Beginn der neuen Jahreszeiten oder auch anderer Feste im Jahreskreis kaum oder sehr einfach und bisher ohne ausgesprochenes Ritual. Es wird aber hier die Entwicklung einer angemessenen Festkultur angestrebt. Die Likatier haben den Wunsch, alle Feste im Jahreskreis, wie z.B. auch Samhain oder Beltane für sich zu erschließen.
Allerdings haben die Stammesmitglieder den Anspruch, nicht klischeemäßig irgendwelche Rituale oder Festkulte zu übernehmen, sondern aus dem eigenen, authentischen Erleben heraus eine spirituelle Kultur zu entwickeln. Das Ziel ist, eine immer tiefere Wahrnehmung für die verschiedenen spirituellen Energien und Wandlungsprozesse im Jahreskreis zu erlangen und als Stamm immer mehr den natürlichen Rhythmen der Natur zu folgen. Die Jahreskreisfeste sind für den Stamm der Likatier auch Schnittstellen zu tieferen Dimensionen der Wirklichkeit.
Um das Thema Mutterschaft zu feiern und um den Müttern, Großmüttern und Urgroßmüttern die Ehre zu geben, die ihnen zusteht, wird im Stamm der Likatier der Muttertag ausgiebig gefeiert. Das ist dann die Gelegenheit für die Kinder und Jugendlichen ihren Müttern einen schönen Tag zu bereiten. Wenn möglich wird dieser Tag zusammen mit den Großmüttern oder Urgroßmüttern gefeiert, die allesamt dann von ihren Nachkommen verwöhnt werden. Keinen Handgriff müssen sie machen und die Küche dürfen sie nicht einmal betreten. Manchmal werden Fahrten unternommen, Gartenfeste durchgeführt oder man orientiert sich an der ältesten Mutter in der Sippe und man bleibt bei ihr im Haus und feiert dort. Die Frauen und Mütter, die am Muttertag nicht in eine dieser Familienkreise eingebunden sind, treffen sich, und machen sich ebenfalls einen gemütlichen Tag, stark unterstützt von den Männern, die ebenfalls keinen Familienanschluß haben.
Gleichermaßen wird auch der Vatertag im Stamm der Likatier gefeiert. Zwar wird den Vätern, Großvätern und Urgroßvätern von ihren Nachkommen gratuliert - wenn nicht gerade ein jugendlicher Nachkomme einen Trotzanfall hat. Doch die Vaterstagsfeier findet nicht im Kreise der Familie statt, sondern ist reine Männersache. So treffen sich am Vatertag alle Männer des Stammes und begeben sich irgendwo in die Natur, meist in der Nähe eines Gewässers, in dem man sich immer wieder ausreichend erfrischen kann. Eine große Rolle spielt am Vatertag das Evokationsritual (Anrufung) für die männlichen Vorfahren der Patrilinie. Das ist die Abstammungslinie aus dem Vater vom Vater vom Vater etc. Dabei ruft jeder anwesende Mann namentlich seine Vorfahren der Patrilinie in das Vatertagsfest und bittet sie um ihre Teilnahme. Nach jedem Namen wird gemeinsam auf den jeweiligen Ahnen getrunken. Dieses Ritual wird solange fortgesetzt, bis alle Anwesenden alle namentlich bekannten patrilinearen Vorfahren genannt haben. Ansonsten ist der Vatertag ein ausgelassenes Fest, das sehr stark von männlichen Energien gezeichnet ist. Frauen dürfen daran grundsätzlich nicht teilnehmen.
Ahnen und Verwandte haben im Leben der Likatier einen besonderen Stellenwert. Gerne werden Feste verschiedenster Ahnen- und Verwandtschaftsanlässe gefeiert. Es bleibt jedem Stammesmitglied selbst überlassen, inwieweit er sich in diesem Bereich entfalten will. In der Regel gedenken jedoch viele Stammesmitglieder an Geburts-, Hochzeits- oder Todestagen der Vorfahren, und lassen auf diese dann irgendwann am Tag in einem beliebigen Kreis von Leuten - meist jedoch im Kreise der Nachkommen - anstoßen. Manchmal finden sogar feierliche Veranstaltungen, wie beispielsweise ein Kaffeetrinken oder ein schönes Frühstück statt. Während dieser Veranstaltung wird des Ahnen gedacht. Das Stammesmitglied erzählt dann möglicherweise Anekdoten und Geschichten aus dem Leben der gefeierten Person, beschreibt diese in ihren Wesenszügen und ihrem Charakter, damit die Festgäste ein Bild von diesem Menschen bekommen. Wenn es runde Geburts- oder Todestage sind, dann fallen die Veranstaltungen hin und wieder etwas umfangreicher aus. Es werden beispielsweise Diavorträge gemacht oder die Stammesmitglieder suchen den Ort auf, an dem der Vorfahre gelebt hat, um dort sein Geburtshaus zu besichtigen oder einfach die Gegend zu erleben und wahrzunehmen, wo der Vorfahre gelebt und gewirkt hat. Mit dabei sind auf jeden Fall immer alle Nachfahren der gefeierten Person, die im Stamm leben, das sind teilweise schon drei Generationen. Während dieser Feier wird normalerweise von den Festgästen die Ahnenlinie vom Stammesmitglied bis hin zum gefeierten Ahnen auswendig gelernt.
Bei Verwandten haben die Mitglieder des Stammes der Likatier auch große Lust mitzufeiern. Viele Stammesmitglieder kümmern sich um die Geburts- oder andere Festtage ihrer Verwandten, damit diese den Tag optimal genießen können und sich um nichts kümmern müssen. Der Tag wird ganz nach den Vorstellungen des Verwandten gestaltet und oft hilft der ganze Stamm bei den Vorbereitungen und der Festdurchführung mit.
Hin und wieder gibt es auch Verwandtschaftsfeste, die echte Stammessache sind. Da viele der Stammesmitglieder Ahnenforschung betreiben, gab es im Stamm schon mehrere Fälle, in denen entdeckt wurde, daß zwei Stammesmitglieder gemeinsame Vorfahren haben und somit verwandt sind. Solch eine Entdeckung ist dann ein Grund für den ganzen Stamm zu feiern und alle Festteilnehmer lernen namentlich die Ahnenverbindungslinie zwischen den zwei Stammesmitgliedern auswendig. In diesem Aufsagen der Ahnenverbindungslinie soll jeder der beteiligten Vorfahren gewürdigt werden.
Wenn der Herbst seinem Ende zugeht, dann naht für die Kinder des Stammes ein beliebtes Ereignis. Schon Tage vorher wird in den Häusern gewerkelt und gebastelt, und es entstehen viele bunte Laternen für den Laternenumzug am 11. November. Die Stammesmitglieder feiern diesen Tag zeitgleich mit dem katholischen St. Martinstag, wobei nicht die christliche St.-Martins-Legende, sondern viel ursprünglichere, archaische Mythen eine Rolle spielen. Für die Stammesmitglieder sind dies die ersten Feierlichkeiten im Zusammenhang mit der nahenden Winterzeit. Es geht um die Schaffung eines Spannungsfeldes aus Dunkelheit und Licht. Der likatische Laternenumzug erinnert an die Zeit der zunehmenden Dunkelheit im bevorstehenden Winter, an die Vorfreude auf die bevorstehende Adventszeit und stellt einen Vorgriff auf das Erleben der Geburt des Lichtes in der Dunkelheit dar, welche ihren feierlichen Höhepunkt beim Fest der Wintersonnwende hat.
Viele Jahre lang zogen die Likatier von ihren Füssener Altstadthäusern aus gegen Abend zum Baumgarten oberhalb des Lech, der direkt ans mittelalterliche Hohe Schloß angrenzt. Eine überaus romantische Kulisse für die vielen bunten Lichter und ihre kleinen Träger. Seit einigen Jahren findet der Laternenumzug allerdings an einem anderen Platz des Füssener Umlandes statt. Man zieht gemeinsam durch Wiesen zum sogenannten "Frauenstein" (nicht zu verwechseln mit der Burgruine Frauenstein in Hohenschwangau!), der hier wohl schon unseren keltischen Vorfahren für kultische Handlungen gedient hat.