Weihnachten ist auch im Stamm der Likatier ein sehr zentrales Fest.
Die Likatier sehen in der Weihnachtszeit und im besonderen im Weihnachtsfest
ein uraltes Thema dargestellt: die Geburt des Lichtes in der tiefsten
Dunkelheit als Hoffnungs- und Erlösungsmysterium einer urmenschlichen
Sehnsucht, die seit Anbeginn der Menschheit einen irgendwie gestalteten
kulturellen Ausdruck findet. Die im Christentum verbreitete Symbolik dieses
Vorgangs entspricht zwar nicht den in Likatien verbreiteten spirituellen
Inhalten, ist aber nach Ansicht der Likatier als eine symbolische Darstellungsebene
trotzdem geeignet, das Mysterium der Geburt des Lichts zu repräsentieren. |
|
Die Art, wie Weihnachten in Likatien gefeiert wird, hat sich
im Laufe der Zeit sehr gewandelt. Ganz am Anfang feierten viele Stammesmitglieder
noch mit ihren eigenen Eltern, weil sie selber noch so jung waren. Nur manche
trafen sich am Heiligen Abend in ihrem Treffpunkt in Weißensee, um zusammen
zu sein. Mit den ersten Kindern wurde vermehrt zusammen gefeiert, meist in
den einzelnen Häusern verteilt, in denen man wohnte, später am Abend
besuchte man sich auch gegenseitig.
Es gab eine Zeit, in der die erwachsenen Stammesmitglieder wegen
der übersteigerten Bedeutung von Geschenken diese ablehnten, weil sie
das Weihnachtsfest nicht so konsumistisch verkommen lassen wollten. Sie hatten
keine Lust, dass es an Weihnachten nur um Geschenke geht, und ihre Kinder
den wahren Wert dieses Festes verlieren, der für die Likatier vor allem
in der Gestaltung und Wahrnehmung der mystischen weihnachtlichen Atmosphäre
liegt. Die Likatier legten mehr Wert auf den Rahmen, in dem das Fest stattfand.
Also schmückten sie die Häuser aufwendig mit selbstgebastelten Sternen,
Fensterbildern und ähnlichem und veranstalteten statt der traditionellen
Bescherung ein Programm, z.B. mit Singen und einem Spaziergang zum Schwansee,
wo eine Schnee-Bar aufgebaut war. Auch Theateraufführungen fanden statt,
wo Stammesmitglieder allen Alters mitspielten, vor allem aber die Kinder.
Einmal spielten sie ein Stück über die wilde Göttin Percht.
Sie ist die Herrscherin über die Rauhnächte, die dunkle Zeit zwischen
Weihnachten und Heilig-Drei-König.
Wegen der Frustration der Kinder, entschloß man sich dazu,
statt gar niemandem oder jedem Einzelnen etwas zu schenken, allen Kindern
etwas gemeinsam zu schenken. So kam es, dass die Kinder in jedem Päckchen,
das eines aufmachte, ein Teil für zum Beispiel eine große Rennbahn
fanden. Und in anderen wiederum ein Puppentheater mit handgefertigten Tonpüppchen.
Viele Stammesmitglieder waren dabei in einer der Puppen abgebildet. Da war
es natürlich das Naheliegendste, diese Püppchen dazu zu benutzen,
Szenen aus dem Stammesleben nachzuspielen. Es wurde ein besonderes Weihnachtsfest
mit vielen Sketchen und "Zugfahrten durch das Leben".
Weil die erwachsenen Stammesmitglieder nicht wollten, dass sich ihre
Kinder benachteiligt fühlen, wurden die persönlichen Geschenke
sehr bald wieder eingeführt. Seit der Stamm die Möglichkeit
hat, daß alle Stammesmitglieder zusammen unter einem Dach feiern,
sind die Weihnachtsfeste noch intensiver, gemütlicher und sozialer
geworden. Es gibt dort trotz der vielen Menschen eine sehr besinnliche
Atmosphäre. Vor allem die Kinder freuen sich, daß alle für
so lange Zeit so nah zusammen sind. Schon Tage zuvor wird das ganze
Haus festlich geschmückt. Rote Tücher verwandeln die Wände,
von unzähligen goldenen Sternen geziert, die auch von der Decke
herab hängen. Alles strahlt im Glanz des bevorstehenden Festes.
Weil im Stamm mittlerweile so viele Menschen leben, werden sie in mehrere
Weihnachts-Gruppen aufgeteilt, die im Haus in verschiedenen Zimmern
verteilt feiern. Jede Gruppe hat einen Weihnachtsbaum, der mit komplettem
Wurzelballen im Topf gekauft wird, da das Fällen von Bäumen
normalerweise im Stamm abgelehnt wird. Im Frühjahr werden die Bäume
dann auf den likatischen Grundstücken wieder eingepflanzt. |
|
Tendenziell bekommen nur die Kinder Geschenke, weil die meisten
erwachsenen Stammesmitglieder sich gegen Geschenke ausgesprochen haben. Obwohl
die Geschenke für die Kinder sehr wichtig sind, wird im Stamm der Likatier
versucht, die Übergabe der Geschenke nicht in den Vordergrund zu stellen.
Nach dem gemeinsamen Abendessen in den besagten Gruppen, wird ausgiebig gesungen
- meist traditionelle Weihnachtslieder, obwohl die Stammesmitglieder bestrebt
sind, in Zukunft zusätzlich auch noch eigene Weihnachtslieder zu entwickeln.
Nach dem Singen findet üblicherweise ein Nacht-Fackel-Umzug statt mit
fast allen Anwesenden und erst nach der Rückkehr versammeln sich die
Gruppen wieder, um die Geschenke zu verteilen. Die nächsten Tage wird
noch gesungen, gespielt und gemütlich zusammen gesessen und viel, viel
geredet.