Nicht nur für Stanislav Grof mit seinen erforschten Perinatalen Grundmatrizen
(PGM), sondern auch für den Stamm der Likatier stellt die Geburt ein
äußerst bedeutsames Übergangsereignis dar, das unser Leben
sehr prägt und beeinflußt und mit dem man sich sinnvollerweise
sehr beschäftigen sollte.
Geburten mitten im Stamm
Die Geburten im Stamm der Likatier finden in der Regel
zu Hause statt. Nur in Notfällen wird ärztliche Hilfe in Anspruch
genommen. So sind mittlerweile über 100 Kinder im Stamm auf die
Welt gekommen. Anwesend sind je nach Wunsch der Gebärenden viele
Stammesfrauen, von denen die meisten schon Kinder bekommen haben, oft
auch junge interessierte Mädchen, die Hebamme und manchmal der
Vater. Geburt wird in der Regel als Sache der Frauen gesehen. Die Väter
sind manchmal auf eigenen Wunsch dabei, aber halten sich meist im Hintergrund.
Die Geburt ist im Stamm der Likatier kein "privates Ereignis",
sondern findet "mitten im Stammesleben" statt, wobei natürlich
jede Frau ganz frei entscheiden kann, ob und welche Menschen sie bei
der Geburt an ihrer Seite haben möchte.
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Die Frauen versuchen der Gebärenden im Vorgang der Geburt
nahe zu sein und sie zu ermutigen, sich ganz zu öffnen. Für die
werdende Mutter ist es oft hilfreich, im Beisein erfahrener Frauen zu gebären.
Auch wenn ihr klar ist, dass sie die Geburt ganz aus sich heraus und alleine
bewältigen muß, so sind die anderen Frauen Trost und auch Hilfen.
Sie können die Frau ermutigen, Ängste zu überwinden und "über
Grenzen zu gehen". Jugendliche Mädchen haben teilweise schon viele
Geburten im Stamm erlebt. Für sie ist "Geburt" keine sterile
Angelegenheit, die ganz abgesondert in einem anonymen Krankenhaus stattfindet,
sondern ist ein Teil ihres Lebens im Stamm, wo sie wichtige Erfahrungen für
ihre eigene "Geburt" als Mutter sammeln.
Geburt und Therapie
Während der Geburt befindet sich die Frau in einem Ausnahmezustand.
Hier wird ganz deutlich, in welcher Bewusstseinsverfassung sich die Frau befindet.
So nackt, wie sie das Kind gebären muss, so nackt stellt sich die Wirklichkeit
für die Frau in diesem Moment dar. Hier werden Lebensängste und
Blockierungen deutlich sichtbar und gleichzeitig sind die Momente der Geburt
Chancen, sich dem Leben mehr zuzuwenden. Die Stammesmitglieder versuchen,
während der Geburt alle aufkommenden Gefühle zuzulassen, die nach
Wunsch auch auf Tonband oder Video aufgenommen werden. Die Mutter schreibt
in der Regel nach der Geburt einen Bericht. Anhand dieses Materials beschäftigen
sich die Stammesmitglieder mit ihren Persönlichkeitsstrukturen. Die Übergänge
des Lebens sind nicht nur Krisen, sondern auch wichtige Entwicklungshilfen
zu mehr Lebendigkeit.
Geburt für das Kind
Auch für die Kinder ist die Geburt eine Grenzerfahrung
und ein sehr einschneidendes Erlebnis. Im Stamm der Likatier versuchen die
Frauen, ein Umfeld zu schaffen, in denen das Kind sanft und liebevoll in der
"neuen Welt" empfangen wird. Das Kind soll sich möglichst lange
auf dem Bauch der Mutter erholen können. Körperkontakt und eine
entspannte Atmosphäre sind wichtig, um ankommen zu können. Die in
den Krankenhäusern übliche gefühllose Routine, mit einer zu
frühen Durchtrennung der Nabelschnur, verbunden mit den oft üblichen
Erstickungstraumata des Kindes, Messen, Wiegen, Wickeln, Anziehen sowie erste
medizinische Interventionen wie Blutabnahme und Vitamin-K-Prophylaxe etc.
werden im Stamm der Likatier in der Regel abgelehnt. Das Kind wird zwar auch
gemessen usw., aber eher nebenbei und ohne die übliche grobe Trennung
von der Mutter. Impfungen halten die Stammesmitglieder aufgrund neuester medizinischer
Erkenntnisse in den ersten Tagen nach der Geburt für bedenklich. Im Laufe
der nächsten Tage wird das neue Kind von vielen Likatiern, Nachbarn,
Freunden und Verwandten besucht und im Stamm willkommen geheißen. Wenn
die Mutter wieder auf den Beinen ist, findet die erste Feierlichkeit statt
- eine Namensgebung für das Kind.