Der Nikolausabend am 5. Dezember wird im Stamm der Likatier
von den Kindern mindestens genauso herbeigesehnt, wie auch gefürchtet.
Natürlich freuen sie sich auf das Säckchen, liebevoll gefüllt
mit Nüssen, Äpfeln, Orangen und oft auch einem selbstgefertigten
Gebäck. Grund zum Fürchten gibt nur die Darreichungsform durch
den allzu böse anmutenden Nikolaus. In Likatien ist das nicht der
herkömmliche Bischof Nikolaus, den man aus der katholischen Tradition
kennt, sondern wilde, ungebändigte Wesen aus dem Gefolge der Percht,
einer archaischen Mutter-Göttin, die im Kulturkreis Bayern/Tirol
bekannt ist. In ihrem Sprachgebrauch nennen die Bewohner dieser Gegend
die Unholde aus der Gefolgschaft der Percht "die Kloasa". Nur
mit Fellen bekleidet, vom Lärm der großen Schellen und Glocken
begleitet, die Haare und der Bart so lang, dass ihre rußbedeckten
Gesichter nicht erkennbar sind, kommen die Perchtkloasa in den Raum, wo
der ganze Stamm versammelt ist.
Im Vordergrund sitzen die Kinder, die jüngsten fliehen
ängstlich zu ihren Müttern und älteren Geschwistern. Wenn die
wilden Männer mit der Reisigrute in ihre Richtung schlagen, dann zucken
sie allesamt zusammen, egal welchen Alters sie sind. Die Kloasa stellen sich
dann in die Mitte des Raumes und holen das Goldene Buch heraus. In diesem
Buch steht drin, was die Kinder und Jugendlichen das ganze Jahr so angestellt
haben. Wenn sie dabei allzu frech sind, bekommen sie schon auch mal eins mit
der Rute über. Zum Schluß werden sie gelobt, liebenswerte Eigenschaften
werden hervorgehoben und dann bekommen sie das besagte Säckchen geschenkt.
Bis spät in den Abend sitzen dann meist noch alle gemütlich zusammen.